Schweinehund Teil 2: der Frust mit der Lust

Im ersten Teil über den inneren Schweinehund habe ich von der Kraft der Leidenschaft gesprochen. Ich versuchte aufzuzeigen, dass anfängliche Übermotivation wohl dosiert eingesetzt werden muss, um aus einer kleinen Flamme einen gewaltigen Flächenbrand zu entfachen. Wenn die Augen funkeln, es nur noch ein Thema gibt und eure Freunde bereits schon abwinken, wenn ihr wieder mit eurem Lieblingsthema anfangt, dann seid ihr da wo es keine Hürden mehr gibt und Ziele zum Selbstläufer werden.

 

Wäre da nur nicht dieser Schweinehund, der zwischen uns und diesem gewinnbringenden Elan steht: Der kleine Griff in die Schokoladen-Büchse, die hirnlose RTL2 Sendung die uns vom Training abhält oder der fehlende Biss in den letzten Intervallsprints – der Schweinehund zeigt uns gerne, wer der Chef im Ring ist.

 

Es wird Zeit, dass wir ihn in den Griff bekommen. Wenn er Pfötchen gibt und Stöckchen apportiert, haben wir ihn da, wo wir ihn haben wollen. Nämlich in seiner verspieltesten Version und für unsere Zwecke eingebunden.  

Es ist einfacher, die Nummer 1 zu erobern, als sie zu erhalten

 

Von Champions der Klasse Roger Federer oder Kilian Wenger hörte man diese Aussage schon lange vor ihrem (zwischenzeitlichen?) Sturz vom Thron.

 

Es ist tatsächlich so. In einer jeden Karriere finden sich die goldenen Jahre, die hochmotivierten, leidenschaftlichen, gewinnbringenden Erfolgsjahre. Getrieben von einer unbändigen, inneren Kraft und der Lust des Verfolgers. Die Affirmation, wie es sich am Ziel anfühlen wird, treibt die Akteure zu Höchstleistungen und weit darüber hinaus. Angekommen am Ziel, wird man vom Jäger zum Gejagten. Das innere Bild verändert sich. Die Ausgangslage ist nicht mehr dieselbe.

 

Genauso ergeht es vielen Leuten in der Diät. Mit der anfänglichen, wohl dosierten Motivation werden die ersten Burgen im Sturm erobert. Doch meist erfolgt nach diesem wichtigen Start die Ernüchterung. Eine Themensättigung stellt sich ein. Man droht wieder in der Komfortzone zu versinken. Das Ziel wird schwammiger vor den Augen und die Erkenntnis macht sich breit: Die Diät Geschichte ist ein Langstreckenlauf und kein Sprint.

 

Erste Hürden nagen am Erfolg, Rückschläge machen sich breit und ziehen Zweifel nach sich. Der Schweinehund grunzt und bellt in uns, macht sich durch unser Schwächeln wieder stärker bemerkbar. Bald ist es wieder soweit und wir holen ihm Zeitung und Pantoffeln - hechelnd und mit dem Schwanz wedelnd. War das nicht umgekehrt in den letzten erfolgreichen Wochen?

 

Rückschläge sind unumwindbar. Wer fällt, steht wieder auf. Fehler werden analysiert und Vorgehensweisen verbessert. Das Ziel wird weiter verfolgt. Aufgeben ist keine Option. Das persönliche Vorher-Bild an der Kühlschranktür und das Foto der Wunschfigur daneben, erinnert uns daran, wieso wir das machen!

 

 

Das zentrale Nervensystem

 

Wir müssen uns bewusst sein, das unser Nevensystem zu jeder Tageszeit trainiert und konditioniert wird. Mit jeder Handlung oder Nichthandlung und mit jedem Gedanken vernetzen wir unsere Nerven, sorgen für neue Vergabelungen und fixieren damit eine Handlungsstruktur.

 

Nichts anderes passiert als Beispiel beim Thema Rauchen. Das Nikotin ist längst nicht der Grund, wieso das Aufhören so schwierig ist. Die Gewohnheit ist es, die fixierte Bewegung, das vernetzte Gefühl den Rauch zu inhalieren und ihn kraftvoll wieder auszublasen. Eine Aktion die sich der Raucher mehrmals täglich, über Wochen, Monate, Jahre hinweg selber aneignet und regelrecht antrainiert.

Die coole Selbstsicherheit die sich sofort einstellt, wenn man mit der Kippe an der Bar steht. Ohne sie käme man sich nackt vor. Es ist das Nervensystem, das sich vollkommen an diese Gegebenheit konditioniert hat. Das ist der Grund, wieso der Rauchstopp oftmals noch monatelang im Kopf herumgeistert und der Schweinehund täglich wiederholt „Rauchen macht dich frei und unabhängig“. Wir alle wissen, dass das Gegenteil der Fall ist.

 

Aber genauso wie man sich solche Laster antrainieren kann, kann man das Nervensystem auch jederzeit auf neue Situationen trimmen. Sei es beim Rauchstopp, beim Lernen eines Handstandes oder beim unkontrollierten Griff in die Chipstüte – wir können das Nervensystem konditionieren. Wir haben die Kontrolle darüber.

 

Der Weg mag lang sein. Aber er war auch lang, als wir uns das Laster angewöhnt haben. Denn auch das passierte nicht über Nacht, sondern brauchte monatelanges Training, bis die Gewohnheit ihre Fesseln immer enger band. Löst euch davon. Besser heute als morgen. Übernehmt die Kontrolle.

 

 

Mensch gegen Schweinehund?

 

Auch wenn wir das oft verdrängen: Wir Menschen sind Tiere. Der innere Schweinehund ist nicht anderes, als das Tierische, die Triebe in uns. Wir können gegen diese Triebe nicht gewinnen. Sie sind ein Teil von uns. Also müssen wir mit dem Schweinehund arbeiten und nicht gegen ihn.

 

In den letzten hunderten von Jahren haben wir immer mehr Wert darauf gelegt, unser System zu vergeistigen. Alles versuchen wir mit dem Kopf und mit Logik zu steuern und zu beherrschen. Wir vergessen dabei, dass unser menschliches System aus mehr besteht als nur Geist. Nämlich aus Geist, Körper und den tierischen Trieben.

 

Diese Triebe dürfen nicht vernachlässigt werden. Der Schweinehund will gestreichelt werden, will Gassi gehen und Aufmerksamkeit bekommen. Nur ein komplettes System funktioniert menschlich einwandfrei und führt ans Ziel. Wir müssen lernen, mit den einzelnen Komponenten umzugehen, sie zu belasten und entlasten, sie zu fordern und fördern, sie zu nutzen und zu verketten.

 

Mit anderen Worten: Zuckerbrot und Peitsche. In einer jeden Diät bedarf es gezielter Momente, in denen man über die Stränge schlagen darf. Sei es mittels Schlemmertagen oder gezielten Überschussmahlzeiten. Diese dienen nicht nur der Befriedigung, sondern sorgen auch für den nötigen Stoffwechselkick.

 

Genauso wie man nach harter Trainingsbelastung eine Regenerationsphase benötigt (deren Dauer wiederum von der Intensität der Belastung und anderen Faktoren abhängt), so benötigt man auch ein kontrolliertes Vor- und Nachgeben bei den Trieben, dem Tierischen in uns. Der Schweinehund holt sich über kurz oder lang sowieso, was er braucht. Wir sind nunmal keine Roboter, keine Maschinen.

 

Natürlich gibt es aber auch die Sorte Mensch, die sehr lange, sehr gut auskommt trotz Unterdrückung der Triebe, sei es sexueller Natur oder sonstige Triebe die in uns schlummern. Viel Disziplin ist dafür nötig. Aber auf Dauer reisst sich dabei immer irgendwo ein Loch im System Mensch auf, sei es psychischer Natur oder körperlicher. Wir laufen in den Burn-out, kriegen Depressionen oder werden ganz banal mittels Grippe oder Erkältung zur Ruhe gezwungen oder aus dem disziplinierten Rhythmus geworfen.

 

Wir müssen lernen, unsere Triebe zu dosieren und für unsere Zwecke einzusetzen. Wir müssen lernen, unseren Körper zu nutzen und fördern und wir sollten darauf achten, unserem Geist gerecht zu werden.

 

Über meine Gedanken, wie man das konkret im Alltag einbauen könnte, berichte ich im nächsten Teil.

 

 

Bis dahin, viel Erfolg

Roger

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